Die Rheinpfalz, 7.12.2020

Spritzen, Blasenkatheter, Einläufe: Wer möchte schon gern als Versuchskaninchen bei medizinischen Eingriffen herhalten? Erna tut es – still und geduldig. Denn die gespendete Krankenpflegepuppe soll in Zukunft den Auszubildenden der Rockenhausener Sozialstation den Lernprozess erleichtern. Dafür bringt Erna einige nützliche Besonderheiten mit.

Alles an ihr erinnert an einen Menschen: ihr Aussehen, ihre Kleidung, ihre Körpergröße. Nur das Gewicht der Übungspuppe Erna entspricht mit 35 Kilogramm nicht ganz dem einer ausgewachsenen Person. „Wir sind unheimlich froh, endlich so eine tolle Puppe zu haben“, sagt Ausbildungsleiterin Angela Schey von der Ökumenischen Sozialstation Rockenhausen/Alsenz-Obermoschel/Winnweiler.

Die erste von vier Praxisanleiterinnen der Sozialstation habe sich dieses Hilfsmittel gewünscht, „um Kompetenzen in der Ausbildung, aber auch der bereits ausgelernten Kollegen weiter zu fördern“. Möglich gemacht haben dies die Pflegevereine Appeltal sowie der Evangelische Krankenpflegeverein Rockenhausen und Umgebung, die für die Anschaffung 2500 Euro gespendet haben.

Größere Selbstsicherheit

Für die Zukunft will die Sozialstation an ihr im vorigen Jahr begonnenes Konzept zur Ausbildung von Pflegefachkräften anknüpfen. „Es ist unsere Zielsetzung, den Personalbedarf an Fachkräften künftig aus den eigenen Reihen zu gewinnen“, erläutert Norbert Pasternack, Geschäftsführer der Sozialstation. Und dabei übernimmt Erna eine wichtige Funktion: Auszubildende können mit weniger Berührungsängsten die bislang nur in der Theorie erlernten Handgriffe üben, „ohne dass es jemand übel nimmt, wenn nicht gleich alles perfekt ist“.

Durch die regelmäßigen Erfahrungen, die Schüler während festgelegter Praxisanleitungsstunden an der Übungspuppe sammelten, fühlten sich nicht nur diese sicherer, sondern auch die künftigen Patienten. Schey betont: „Nach drei Jahren Ausbildung sind sie alleine bei den Kunden unterwegs, können nicht einfach nachfragen. Dann müssen sie es können.“ In der Schule hingegen bleibe oft nur wenig Zeit, um das Gelernte ausreichend zu üben, gibt Stefanie Lanzer, Auszubildende im dritten Lehrjahr, zu bedenken. „Nicht jeder hat so eine Puppe. Da sind wir in der Sozialstation gut aufgestellt.“

Ernas Besonderheiten

Die Spende der Pflegevereine komme genau zur rechten Zeit, da Corona die Anleitung am lebenden Objekt ohnehin zusätzlich erschwere. „Auch die Abschlussprüfung in der Pflegefachschule wird 2021 an einer Puppe stattfinden“, informiert Lanzer. Denn Erna benötigt wie die Kunden der Sozialstation in vielerlei Hinsicht medizinische Fürsorge: von der Augen- und Ohrenspülung über die Versorgung von Druckgeschwüren verschiedenen Grades bis hin zur Behandlung eines nekrotischen Zehs.

„Zusätzlich hat Erna an Oberarmen, Oberschenkeln und im Hüftbereich weiche Stellen, an denen man das Verabreichen einer Injektion in intramuskuläres Gewebe üben kann“, zählt Schey auf. Und sie hat Gelenke an Beinen und Armen – dadurch können die zurzeit drei Auszubildenden der Sozialstation Lagerungstechniken und Kompressionstherapien erproben.

Weiterhin lasse sich die Haut von Erna waschen und eincremen, ohne dass das Material Schaden nehme, sagt Schey. „Sie hat sogar eine herausnehmbare Zahnprothese. So kann man die Grundpflege – sprich die Körperpflege –, aber auch Nähe, Distanz und Wertschätzung thematisieren.“

Empathie trotzdem ein Muss

Auch wenn die Puppe stumm sei, dürften erklärende Worte und zärtliche Gesten, wie das sanfte Streicheln der Wange, nicht fehlen. Schey begründet: „Wir arbeiten auch mit Patienten zusammen, die keine Antwort geben können. Trotzdem kann bei ihnen etwas ankommen.“ Ein Luftröhrenschnitt am Hals der Puppe, ein künstlicher Darmausgang sowie die Möglichkeit, eine Nasen- und Magensonde zu legen, bieten weitere Trainingsoptionen.

Gut lassen sich ferner beim Legen eines Blasenkatheters beispielsweise lateinische Fachbegriffe oder die für diesen Eingriff notwendigen Hygienemaßnahmen abfragen. „Toll ist auch, dass wir bei Erna während der Behandlung über die geöffnete Bauchdecke ins Innere schauen oder Organe wie die Blase sogar mit Wasser befüllen können.“ Das helfe, um einzelne Schritte besser nachvollziehen zu können und Fehlerquellen zu finden. Und abschließend fügt Lanzer hinzu: „Das Beste ist, im Bedarfsfall können wir Erna auch innerhalb von drei Minuten zu Egon – also einer männlichen Puppe – umbauen.“